Themenheft der Zeitschrift für Semiotik „Technologie als Symbolische Form. Zur Aktualität von Ernst Cassirers Werk“

Deadline: 30.05.2025

Die rasant fortschreitende Technisierung durch digitale Medien und die damit einhergehende Ausbreitung von künstlicher Intelligenz, präsentieren neue Herausforderungen das Technische als einen integralen Bestandteil der kulturellen Evolution zu verstehen. Die kultursemiotische Perspektive der Kulturwissenschaft bietet Instrumente, um strukturelle Eigenschaften der digitalen Zeichensysteme zu erklären, sowie auf die Folgen für individuelle und gesellschaftliche Kommunikation hinzuweisen.   

Die explizite Symbiose zeichentheoretischer Positionen mit einer modernen Kulturwissenschaft finden wir in Ernst Cassirers Werk. 

Technologie als Symbolische Form

Ernst Cassirer, entwickelte einen eigenen Begriff von Technologie, der stark von seiner Kulturphilosophie und Symboltheorie geprägt ist. Cassirer betrachtete die menschliche Kultur als ein System symbolischer Formen, das die Welt nicht nur repräsentiert, sondern aktiv gestaltet. Zu diesen Formen zählen für ihn Sprache, Kunst, Religion, Wissenschaft – und auch Technologie.

In seinem Bemühen, den eigentümlichen Charakter der kulturwissenschaftlichen Methodik und Logik von der naturwissenschaftlichen abzugrenzen, schrieb Cassirer 1942 im amerikanischen Exil: „Wir mußten, um diesen Unterschied mit Schärfe bezeichnen zu können, von der Begriffsstruktur auf die Wahrnehmungsstruktur zurückgehen. [...] es muß sich zeigen lassen, daß die Differenz zwischen ihnen sich in einer ursprünglichen Doppelrichtung des Anschauens und Wahrnehmens gründet“ (S. 56).  

Die Schwierigkeit dieser Aufgabe sah Cassirer in der Logik der Kulturwissenschaft verankert, denn „der reflexive Prozess des Begreifens ist seiner Richtung nach dem produktiven Prozess entgegengesetzt; beide können nicht zugleich miteinander vollzogen werden.“ Die Kulturwissenschaft „muß das synthetisch Erzeugte analytisch behandeln.“ Sie „lehrt uns, Symbole zu deuten, [...] um das Leben, aus dem sie ursprünglich hervorgegangen sind, wieder sichtbar zu machen“ (1942, S. 86). Somit hat die Kulturwissenschaft, anders als die Naturwissenschaft, das Zeichen als Ausdruck des menschlichen Denkens und Handelns im Fokus. 

In der Technik sah Cassirer ein wichtiges Teilgebiet kultureller Ausdrucksformen; in seinem Aufsatz Form und Technik aus dem Jahr 1930 schreibt Cassirer, 

“Wenn man den Maßstab für die Bedeutung der einzelnen Teilgebiete der menschlichen Kultur in erster Linie ihrer realen Wirksamkeit entnimmt, wenn man den Wert dieser Gebiete nach der Größe ihrer unmittelbaren Leistung bestimmt, so ist kaum ein Zweifel daran erlaubt, daß, mit diesem Maße gemessen, die Technik im Aufbau unserer gegenwärtigen Kultur den ersten Rang behauptet” (S. 39).

In Cassirers Werk wird Technologie als eine symbolische Form verstanden, die Ausdruck menschlicher Freiheit und Kreativität ist. Sie ist mehr als bloß ein Instrument oder Werkzeug, um natürliche Gegebenheiten zu beherrschen oder nützliche Objekte herzustellen. Cassirer sah Technologie als eine Form, wie Menschen die Realität interpretieren und ihre Bedeutung verleihen, und zwar durch die Nutzung von Werkzeugen und durch das Schaffen von Strukturen, die die natürliche Welt umgestalten. Technologie ist damit ein Ausdruck des menschlichen Geistes und ein Instrument der Selbstverwirklichung, in dem sich unser Drang nach Wissen und Kreativität manifestiert.

Dieser Ansatz unterscheidet sich grundlegend von rein instrumentellen oder materialistischen Ansichten über Technologie. Für Cassirer ist Technologie kein neutraler oder rein zweckgerichteter Prozess, sondern ein Mittel, durch das der Mensch seine eigene symbolische Welt schafft und erweitert. Sie ist Teil der kulturellen Entwicklung und spiegelt das Verhältnis des Menschen zur Welt wider, wodurch sie – ähnlich wie Sprache oder Religion – ein Teil der menschlichen Selbstdefinition wird. Cassirer betonte, dass Technologie in der Lage ist, das Bewusstsein und die Perspektiven der Menschen zu verändern, indem sie neue symbolische Welten erschafft und so unsere Wahrnehmung und unser Verständnis der Realität formt.

Erwünscht sind vor allem Beiträge aus den Forschungsfeldern der Kultursemiotik, Kulturwissenschaft, Philosophie und weitere die die Aktualität Cassirers Werk im Kontext der technologisierten Kultur erforschen.

Bitte senden Sie Ihr Abstract (max. 300 Wörter) bis spätestens 30.05.2025 an: 

Elize Bisanz elize.bisanz@ttu.edu
Stephanie Schneider Stephanie.B.Schneider@ttu.edu

Informationen

Veranstalter
Zeitschrift für Semiotik

E-Mail Veranstalter
Stephanie.B.Schneider@ttu.edu

zurück